Sonntag, 29. Januar 2012

Die 45 Sekunden der Kaffeemaschine

Es ist Sonntagmorgen, die dumpfen Töne der Kirchenglocke dringen schon zum dritten Mal in mein Bewusstsein, die des Telefons auch, es ist Zeit aufzustehen.
Mein Rezept gegen Sonntagmorgen-Danach ist nicht weltbewegend: Augen auf und durch. Ich runzelte meine Stirn in allen möglichen Variatonen, liess meine Gedanken kreisen und wagte endlich, meine von der Schminke verklebten Augen zu öffnen. Hallo Welt, einen wunderschönen guten Morgen. Ich atmete langsam auf, der schwerste Teil meines Sonntagmorgenrituals war getan, jetzt blieb nur noch der Gang in den ersten Stock, ins erste Zimmer rechts, schnurstracks vor die gute alte Kaffeemaschine. Das ist meistens eine tapsige Angelegenheit, die wohl recht ulkig aussieht - zum Glück sehe ich es nicht. Der milde, bittersüssliche Duft nach frischem, warmen Kaffee öffnet meine Augen dann entgültig: HALLO WELT, EINEN WUNDERSCHÖNEN GUTEN MORGEN.

Die Kaffeemaschine hat genau 45 Sekunden um ihr einzigartiges Wundergebräu zu vollenden - 45 Sekunden, während denen ich Zeit hatte mir Gedanken zu machen, 45 Sekunden zu lang...Die Einsicht kam mir schon nach 20 Sekunden, als ich beschloss, zuerst noch ein paar eiskalte, frische Wasserschlückchen zu mir zu nehmen und ein typisches, kurzes Stechen verspürte, als ich meinen Kopf wieder vom Hahn zurückzog. 40 tage ohne AUSGANG!!??

Ohne Ausgang, das ist doch kein Problem - für einige nicht, für mich schon. Wenn wir eine normale Woche betrachten gehe ich drei Mal aus: Dienstags (ein absolutes Muss, da an diesem Tag die einzige erwähnenswerte Bar in unserem Kleinstädtchen alle Longdrinks für 5.- ausschenkt), Freitags (nach vollendeter, harter Arbeitswoche den Abend zu Hause verbringen? Definitiv nicht...) und Samstags (also wer jung ist und Samstags nicht ausgeht...). Manchmal kommt noch Donnerstags dazu, ist schliesslich das kleineWochenende und nur einen einzigen Arbeitstag vom Grossen entfernt. Mittwochs eignet sich natürlich bestens um bei einem netten Drink das ruhige Leben zu geniessen. Im Durchschnitt gehe ich also ungefähr 4 Mal aus. 4 Mal pro Woche - eigentlich beängstigend! Meine Gedanken wirbeln, ich stehe vor einem riesigen Fragezeichen, tausend Ängsten und dem unausweichlichen Fakt: Ausgang ist wirklich wichtig für mich. Was geschieht, wenn ich mich 40 tage aus der Welt der Bum-Bum-Musik, jugendlicher Träume, oberflächlicher Sinnsuche, Spass und Entdeckungsreise herausnehme? Ausgang bedeutet Spass haben, soziale Kontakte pflegen, sich mit Freunden treffen, neue Leute kennen lernen, Meinungen austauschen, dem Alltagstrott entfliehen, leben...

Die plötzliche Stille riss mich aus meinen Gedanken. Still, fast schon ein bisschen sarkastisch stand die Kaffeemaschine vor mir, ich glaube sie hätte ihr Gesicht zu einem höhnischen Lachen verzogen, hätte sie nur menschliche Muskeln dazu gehabt. Ihre 45 Sekunden waren um, das Wundergebräu braun und herrlich duftend in der weissen Porzelantasse. Ich nahm die warme Tasse, wanderte langsam unsere Holztreppe hinauf, weiter in mein Zimmer, Computer anschalten, 40 TAGE OHNE AUSGANG - what else?

Oh je.

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